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Die Letzten Sieben Tage

Sonntag, 24. Januar 2010

Sendung von Info Radio 18. 08. 2010 - Beitrag von Vanessa Loewel

Kultur Programm, Mi 18.08.10 08:55 Uhr

Galerierundgang: Gönüls Art in Neukölln

Die Wipperstraße ist eine Sackgasse mit Kopfsteinpflaster und liegt am südlichen Ende der Karl-Marx-Straße. Das junge Neukölln, das Kreative aus aller Welt anzieht, scheint hier weit weg. Das Café heißt "Neuköllner Stuben". Die Deutsch-Arabische Unabhängige Gemeinde hat hier ihren Sitz, es gibt die Glaserei Rehfeld, einen Kiosk - und es gibt Gönüls Art.

Aus der kleinen Galerie klingt Musik. Zwei Frauen, eine mit einem Kinderwagen, die andere mit ihrem Fahrrad, stehen davor und hören zu:

„Ich habe die Musik schon von der anderen Straßenseite gehört. Das ist total schön und die Tür stand auf. Ich war hier schön öfters, aber ich habe auch noch nicht so ganz verstanden, was hier alles passiert, weil es immer so Unterschiedliches gibt.“
"Ich bin ja nicht umsonst stehen geblieben. Auf jeden Fall zieht das an und macht Spaß. Bringt Laune."

Die Künstlerin Gönül Hürriyet Aydin steckt ihren Lockenkopf heraus und bittet die beiden Frauen hinein. Gemütlich ist es: Die Wände sind bis zur Decke mit Bildern behängt. In der Ecke steht eine Staffelei, ein aufgeklappter Tuschkasten liegt auf dem kleinen Tisch neben einem Sessel. Am Klavier sitzt Bill Hancock, neben ihm steht Michail Terzis mit seinem Akkordeon. Gönül Hürriyet Aydin hat ihre Pinsel beiseite gelegt und wippt im Takt der Musik: "Ich habe nie gedacht, das wird hier ein kleines Kulturzentrum, die Nachbarn sagen, du bist unser Licht hier in dieser Straße."

"Auf jeden Fall ist Gönül eine Anlaufstation für viele Leute im Kiez, das muss man sagen. Und viele Leute lernen sich auch hier kennen, weil es ein offener Ort ist," sagt ihre Nachbarin Friedericke Fuchs. Auch der 24-jährige Abiturient Bill Hancock und Michail Terzis, der vor 20 Jahren aus Thessaloniki nach Neukölln kam, wohnen in der Wipperstraße. Auch sie haben sich in der Galerie kennen gelernt.

"Gönüls Art ist ein Ort, an dem sich Künstler auch zufällig treffen. Manchmal kommt jemand zufällig vorbei und kommt herein, findet eine Wärme und da entsteht immer etwas. Musiker treffen sich. Leute, die nicht wussten, dass sie Musiker sind, entdecken, dass sie Musiker sind. Und das ist natürlich eine Sache, die einmalig ist. Und das ist auch eine Chance für uns, zusammenzuwachsen.“
"Es gibt ja so viele Gerüchte über Neukölln. Dass alles so schlecht ist, und hier ein sozialer Brennpunkt ist. Das gibt es natürlich, aber im Gegenzug gibt es auch so tolle Sachen, wie hier."

Vor drei Jahren hat Gönül Hürriyet Aydin ihre Galerie eröffnet: Sie verkauft ihre Bilder, Mobiles und Fächer, aber sie stellt auch die Kunstwerke ihrer Nachbarn aus. Für fünf Euro im Monat kann sich jeder ein Fach in einem Regal mieten: "Ich sage ihnen, ich biete Dir in dieser Galerie einen Raum. Mach daraus, was du möchtest. Aber es dürfen nur handgearbeitete Sachen sein oder Kunstwerke. Es muss einfach mit Kreativität zu tun haben."

Außerdem organisiert sie Lesungen, Konzerte und Diskussionen. Gönül Hürriyet Aydin liebt Kunst und Musik, aber noch mehr liebt sie die Menschen in Neukölln und die kommen gerne in die Wipperstraße 10 - um Bilder zu kaufen, ihr beim Malen zuzuschauen oder Bill Hancock und Michail Terzis beim Musik machen zuzuhören. Die Tür steht immer offen: "Ich motiviere auch die Leute, weil ich zeigen möchte, dass Kunst nichts besonderes ist. Man muss nicht vorsichtig sein. Kunst ist Leben!"

Ein Beitrag von Vanessa Loewel.