Von Mensch zu Mensch: Mit Betty Kolodzy durch Berlin
Der Streifzug durch die Hauptstadt, zu dem die Autorin Betty Kolodzy mit ihrem Buch “Berlin Walking” einlädt, ist ein besonderer.
Nicht die so verschiedenen Bezirke und inte- ressanten Orte der Metropole stehen im Mit- telpunkt, sondern es sind vornehmlich die Menschen, denen die Autorin begegnet. Zum Teil steuert Betty Kolodzy
konkrete Ziele in der Stadt an, um dort einen bestimmten Menschen zu
treffen, doch genauso ist sie offen dafür, sich einfach treiben zu
lassen, ohne vorab zu wissen, zu wem der Weg führt. Das Ergebnis ist ein
literarischer Spaziergang voller Gespräche mit ihr bekannten oder zuvor fremden Leuten,
die häufig in kurzer Zeit viel Persönliches erzählen. Daneben kommt
auch die Autorin, die vor langer Zeit selber in Berlin gelebt hat, ins
Sinnieren: Ihre Erinnerungen an Plätze oder an Gefühle für einen bestimmten Bezirk, vergleicht sie nun mit dem jetzigen Erleben.
Die meisten Leser werden jedoch
wahrscheinlich zuerst die Kapitel über Orte oder Menschen aufschlagen,
die ihnen keine unbekannten sind. Bei mir war das Betty Kolodzys Besuch bei Gönül’s Art in Neu- kölln,
dem Ladenatelier der Malerin, Autorin und Regisseurin Gönül Hürriyet
Aydin, die seit über 25 Jahren im Bezirk lebt. Die be- schriebene
Stimmung während einer Le- sung, die dort stattfand, habe ich bei einer
anderen Veranstaltung ähnlich empfunden.
Eine weitere Geschichte widmet die Autorin der Begegnung mit einer Frau, die monatelang mit zwei Hunden unter der Auto- bahnbrücke am S-Bahnhof Innsbrucker Platz gelebt
hat. Ich selber hatte nur mehr- fach ihr dortiges Lager gesehen, und
durch das Buch erfuhr ich nun mehr über die Frau und ihre Beweggründe
dort zu leben.
Trotz der Intention der City
Walking-Reihe, die Menschen einer Stadt in den Vor- dergrund zu rücken,
hätte ich mir doch an der einen oder anderen Stelle eine detailliertere
Beschreibung von Orten und Kiezen gewünscht. Für mich ist “Berlin
Walking” ein Sommerbuch im besten Sinne, mit dem man
sich vor ein Café setzt und einige Geschichten liest, um sich dann
selber für spannende Begegnungen mit zuvor Unbekanntem zu öffnen. Ich
habe mir jedenfalls nach der Lektüre vorgenommen, endlich einmal die Ceciliengärten in Schöneberg zu besuchen. Hier hat Kolodzys kurze Beschreibung des Gartendenkmals genügt, mein Interesse zu wecken.